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Die bedeutendste und auf dem südamerikanischen Kontinent am weitesten verbreitete indianische Sprachfamilie und Kulturgruppe. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich über den gesamten Norden Südamerikas, von Kolumbien im Westen, über Venezuela und Brasilien bis nach Guyana im Osten und südlich sogar bis hinunter nach Bolivien. Sie unterteilt sich in zahlreiche Gruppen, die wiederum sehr viele verschiedene Stämme bilden. Früher waren sie sogar weit über die Antillen (im 16. Jh. ausgerottet) bis zu den Bahamas verbreitet. Ihre Sprachen sind linguistisch noch recht wenig erforscht. Typisch sind ihnen die Präfigierung und Suffigierung, das Fehlen einer Nominalinkorporation (Einverleibung syntaktischer Elemente in einem Satzglied), wie es beispielsweise bei den Irokesensprachen Nordamerikas der Fall ist, ebenso wie ein das Geschlecht differenzierendes Genussystem. Insgesamt werden der Aruak-Sprachfamilie mehrere Hundert Sprachen und Dialekte zugeordnet. Eine interne Klassifikation der bis heute dokumentierten Aruak-Idiome konnte von der ethnolinguistischen Forschung nicht immer zufriedenstellend geklärt werden. Darum ist eine bestehende Zuordnung der einzelnen aruakischen Völker ausschließlich nach geografischen Kriterien gegeben und Zahlenangaben sind manchmal nur Schätzungen.
Auf den Großen Antillen war die einst von CHRISTOPH KOLUMBUS vorgefundene indianische Bevölkerung in ihrer Mehrheit den Aruaken zuzurechnen. So gab es z.B. die Taino auf Kuba, Haïti, der Dominikanischen Republik und Puerto Rico, die Ciguayo in der Dominikanischen Republik, die Yamaye auf Jamaika sowie die Lucayo auf den Bahamas. Diese ursprünglich etwa über eine Million Menschen zählende autochthone Bevölkerung der Großen Antillen wurde von den Spaniern im 16. Jh. innerhalb weniger Jahrzehnte nahezu völlig ausgerottet.
Auf den Kleinen Antillen war schon kurz vor Ankunft der Spanier der dort ehedem siedelnde Aruak-Stamm der Eyerí durch ständig einfallende Kariben weitgehend ausgelöscht worden. Infolge des allgemein praktizierten Frauenraubes setzte sich aber der Eyerí-Dialekt unter den Insel-Kariben erstaunlicherweise als Muttersprache immer weiter durch und wurde unter der britischen Kolonialverwaltung mit der Zwangsdeportation seiner Sprecher nach British-Honduras, dem heutigen Belize sowie nach Honduras verbreitet. Dort konnten die wegen ihrer Vermischung mit entlaufenen bzw. freigelassenen schwarzen Sklaven, nun mit dem Ausdruck „Schwarze Kariben“ (–› Garífuna) bezeichnet, eine über 90.000 Menschen zählende Ethnie, das Aruak-Idiom bewahren, während die auf der kleinen Insel Dominica verbliebene Restgruppe der Insel-Kariben vollständig anglisiert wurde.
Lediglich ein kleiner, im Küstenstreifen von gesamt Guyana und Surinam lebender Volksstamm, die etwa 3.000 Arawak (Lokono), gaben der gesamten Aruak-Sprachfamilie ihren Namen. Sie waren unter den ersten Indigenen Guyanas, die von europäischen Produkten stark abhängig wurden. Sie haben sich heute kulturell jedoch weitgehend der Mischlingsbevölkerung der Küste angepasst, der sie auch ihrerseits einige Kulturelemente vermittelt haben. Dennoch bewahren sie ein Bewusstsein ethnischer Eigenart. Gleich diesen stark akkulturiert sind die Palixur am Unterlauf des Oyapock. Die Westküste Venezuelas sowie die vorgelagerten Niederländischen Antillen wurden früher von den heute ebenfalls in der dortigen Landbevölkerung aufgegangenen Caquetío bewohnt. Hingegen haben die auf der gleichnamigen Halbinsel lebenden Goaxiro trotz der Übernahme von Rinderzucht und Kleintierhaltung ihre ethnische Identität im Gegensatz zu den ihnen benachbarten Parauxano bewahren können.
Die zwischen dem Gebirgsfuß der Ostkordillere und dem linksseitigen Ufer des großen Orinocobogens sich erstreckenden Llanos waren in vorkolonialer Epoche ein bedeutendes Siedlungsgebiet der Aruak-Gruppen, die aber heute mit Ausnahme der Piapoco als eigenständige Ethnien nicht mehr existieren. In dem nordwestlichen Teil Amazoniens, insbesondere in dem von den Flüssen Guaviare, Uaupés und Casiquiare umgrenzten Gebiet haben manche Aruak-Stämme ihre traditionelle Kultur halbwegs intakt erhalten können, so z.B. die Carútana, Baniwa, Curripaco, Tariano, Guarequena sowie auch die Baré.
An den Ufern des Rio Negro siedelten bei Ankunft der ersten Europäer z.T. recht bedeutende Völker der Aruak-Sprachfamilie, von denen hier nur die Mainatari, Mepurí, Uirina, Cariahy, Manáo und schließlich die Aruakí an der Vereinigung des Rio Negro mit dem Solimões zum Amazonas genannt seien. Durch die Siedlungs- und Versklavungspolitik der Portugiesen wurden diese Gruppen stark dezimiert. Die Etablierung eines Tupí-Idioms, der sogenannten „Lingua geral“, als Verkehrssprache bewirkte letztendlich ihre gegenseitige Assimilierung zu einem indianischen Bevölkerungssubstrat, das unterschiedliche ethnische Herkunft schon bald nicht mehr erkennen ließ. Am Unterlauf des Rio Japurá erlitten die Uainumá, Passé und Kawischana ein ganz ähnliches Schicksal wie ihre Sprachverwandten vom Rio Negro, doch überlebten im Einzugsgebiet des mittleren Japurá mit den Stämmen der Yucuna, Cabiyarí, Tanimuca-Retuarã und Resigero kleinere Aruak-Restgruppen. Im Inneren der Großlandschaft Guyana konnten allein die Wapishana als Bodenbauer und Viehzüchter ihr Territorium zwischen Rio Branco und Rupununi behaupten, während diverse andere aruakische Sprachinseln heute erloschen sind.
Die unter dem Terminus „Yunga“ bekannte fruchtbare und äußerst niederschlagsreiche Nordostabdachung der Anden ist im südlichen Peru die Heimat der volkreichsten Aruak-Stämme in ganz Amazonien. Als die direkten Nachbarn des alten Inka-Reiches von „Tahuantinsuyu“ standen die Amuescha unter dem kulturellen wie auch sprachlichen Einfluss der staatstragenden Ketschua, konnten allerdings ihre Unabhängigkeit bewahren. Die Matsiguenga, Campa und Piro konnten gegen die peruanischen Kolonisatoren recht viele Züge ihrer einheimischen Kultur in die Gegenwart hinüberretten, desgleichen auf der brasilianischen Seite die Stämme der Maxineri, Apurinã und Kaxararí des anschließenden Juruá-Purus-Gebiet.
Im Tiefland Ostboliviens sind die aruakischen Völker vertreten durch die Mojo (Moxo) und Bauré, während die vormals aruaksprachigen Paunaca und Saraveka ihr Idiom zugunsten der isolierten Sprache Chiquitano aufgegeben haben. Auf der Hochebene von Mato Grosso bildeten die verschiedenen Abteilungen der Paressi in dem nach ihnen benannten Gebirgszug eine größere Aruak-Enklave. In jüngerer Zeit wurden ihnen in dieser Region von der Regierung Brasiliens mehrere ausgedehnte Reservate zugesprochen. Das Xingú-Quellgebiet wird gleichfalls von einigen kleinen Splittergruppen der Aruak-Sprachfamilie besiedelt, so den Mehináku, Waurá und Yawalapiti.
Der Gran Chaco beheimatet die südlichsten Ausläufer der aruakischen Wanderungsbewegungen. Im Westen des „Chaco boreal“ finden sich einige Überlebende der ehemaligen Chané, die schon lange vor der spanischen Unterwerfung von den in mehreren Wellen eindringenden tupísprachigen Chiriguano sehr stark dezimiert worden waren. Im Osten waren einst die Guana (Kinikinao) und Terêna bis zum Einschreiten der Europäer dem expansiven Druck reiterkriegerischer Mbayá ausgesetzt.
Die Klassifikation der Aruak-Sprachfamilie ist heute keineswegs als abgeschlossen zu betrachten. Von den Linguisten wird bestimmten Dialektgruppen zuweilen eine Sonderstellung eingeräumt. So etwa den im Juruá-Purus-Areal Brasiliens ansässigen Arua mitsamt den Culiná, den Dení, Yamamadi, Paumari, Banawá, Jaruára und Suruahá, die heute einer selbstständigen Sprachfamilie angehören, oder auch den im Nordosten Perus lebenden Aguano und Chamicuro. Manche Wissenschaftler befürworteten auch einen Anschluss der übrigen Sprachzweige, wie beispielsweise des Uru und der Chapacura-Gruppe.
Die Aruak sprechenden Völker werden vor allem mit der Ausbreitung der Töpferei im südamerikanischen Waldland in Verbindung gebracht, manchmal aber auch mit der Verbreitung eines starken, an den Gedanken des hochkulturlichen Fürstentums erinnernden Häuptlingstum. Die geografische Verteilung vieler Aruak-Stämme entlang der Flussläufe und Küsten legt den Schluss nahe, dass ihre Expansion vielfach auf dem Wasserwege erfolgte und vermutlich auf Kosten einer Vorbevölkerung ging, die das Kanu nicht bzw. weniger intensiv zu nutzen wusste. Die Aruak-Stämme gehörten als Bodenbauer der Waldlandkultur des tropischen Südamerika an, innerhalb derer sie eine gehobene Schicht repräsentierten.
Den Aruak verdanken die indigenen Völker des tropischen Waldlandes die Kenntnis vom Anbau und der Entgiftung der bitteren Maniokknollen. Im zirkum-karibischen Raum waren sie nordandinen und meso-amerikanischen Kultureinflüssen ausgesetzt, in den Yungas hingegen denjenigen der andinen Vorkulturen. Auch wenn bei den meisten Aruak-Völkern Häuptlinge und Schamanen eine gehobene Stellung im sozialen Leben innehatten, waren sie jedoch vorwiegend als egalitäre Gesellschaften organisiert. Die politische Einheit ging meist nicht über den jeweiligen Stamm hinaus. Mit den Stämmen der Campa, Goaxiro, Wapishana und Terêna stellen die Aruak heute einige der kopfstärksten sowie auch vitalsten indigenen Völker des außerandinen südamerikanischen Kontinents, deren Überleben für die Zukunft weitgehend als gesichert angesehen werden kann.
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